Burgos

Hermano Marios Pilgerreise nach Santiago de Compostela

Reisebericht vom 31.03. - 12.04.2003 mit Drahtesel MTB-Fully

1.Tag: 01.04.2003 Pamplona - Estella.

Camino

Auferstanden aus Ruinen morgens 6:30 nach kurzem Schlaf im Haus v Iñaki und Abschied v Ihm, Eselchen bepackt und raus in die dunkle Kälte. Nach ca. 5 km also 15 min Fahrt und Ankunft in Pamplona Zentrum Hinterreifen platt. Toll. Es ist ja schon 07uhr und in Spanien gibt es zur der Zeit noch nicht mal das Frühstückchen. Werkstätten, die mich mit Luftdruck hätten versorgen können, machen immer erst 9uhr auf. Also Demontage des störrischen Esels (durch die Frontbepackung dreht der Lenker stets weg und lässt das Rad umfallen oder mir gegen das Bein/ Kopf etc knallen) und Zigarre an mit einem Kaffee aus der Nachbarbar.

9:45 ist der Schlauch dilettantisch ausgewechselt. Nehme den Kaputten vorsichtshalber mit. Nach kurzer Radbesichtigung der Stadt und Abholung des Credidenciales, welchen mich als Pilger ausweist lege ich ca. 11:30h los. Musste ja noch von Pontius nach Pilatus, weil... ihr wisst ja schon Spanien und so. Endlich beginnt für mich der wirkliche Weg. Alles wieder im grünen Bereich.

Die Strecke ging raus über Cizur Menor und km immer weiter gerade aus, bis ich an der Sonnenstellung merkte, dass ihre Position unangenehm frontal wird, wo ich sie doch links, im Süden hätte haben müssen. Nach einer schmerzenden Auffahrt, der Rucksack auf dem Rücken wird unerträglich, frage ich eine Frau Kartoffel aus einem Ort und diese informiert mich wie so oft (...ihr wisst ja schon) die Schilder für die Pilger wurden wg Bauarbeiten in Cizur Menor rausgemacht und ich sei schon der Hundertste, der vom Weg kam, am besten sei es wieder 10km zurück. Gut dass ich eine Karte habe, die mir sagt, auf die Kartoffel besser nicht zu hören und den Umweg weiterzufahren, um dann in Campanas nach Norden umzuschwenken, wo es nach Puente la Reina geht. Auf eingeborene Kartoffeln hört man lieber nicht. Diese Lehre machte ich schon zu oft. Auf diesem hügeligen Umweg lerne ich ein katalonisches Paar kennen per Fahrrad unterwegs. Auch sie ließen sich v der Wegführung und dem demontierten Schild verarschen.

Ca 8km vor Puente komme ich allein zu einer Kirche Sta.Maria. Ein seltener Oktagonbau, den ich auf dem Pilgerweg nicht angetroffen hätte. Ein kurzes Gebet für den weiteren Camino im dunklen Innenraum, dann nahm ich Ana´s liebevoll gemachtes Schnitzel und meinen Kraftbrei am Fluss nebenan zu mir. Weiter ging’s nach Puente la Reina, dessen Name nach ihrer Brücke benannt wurde, welche die damalige Königin ca. im 13Jh für die Pilger bauen ließ. Ein schönes, romantisches Örtchen. Und, huch?, Reifen wieder bei der Durchfahrt platt. Toll, das gab’s heute ja schon. Ich schiebe den Esel wieder zurück zur nächsten Tanke, wo mir aber natürlich keiner mit irgendetwas weiterhelfen kann. Der rettende Reifenspray ist in Spanien nämlich nicht so wichtig, wie solche ventilreinigende Produkte, wie sie hier in mehreren Marken rumstehen. Aber es gäbe gegenüber eine Fahrradwerkstatt. Dort liegt auch schon das katalonische Paar beim Mittagsschlaf davor auf der Wiese. Die Werkstatt machte glücklicherweise 16h auf und reparierte mir beide Schläuche und baute einen ein in nur 15min. Das ist ungekannte Schnelligkeit fürs hiesige Land.

Da ich noch zur nächsten Pilgerherberge nach Estella will, wähle ich die Autostraße. Habe Zeit wieder gutzumachen, nach der 2.Panne. Was für ein Anstieg über mehrere km. Das Wasser läuft aus allen Poren. Die Beine werden gummig. Irgendwann schaffe ich es nach Estella, wo meine Herbergsroutine beginnt: Esel entpacken, Sachen rausholen, Sachen waschen, Duschen, Essen und mit den dortigen Pilgern reden. Die meisten davon immer Deutsche. Ich bin erstaunt, wie viele junge Frauen davon, die sogar alleine den Weg begannen. Mein katalonischen Paar kam nun auch schon an und bringt Bier mit.

Nachts Ohrenstöpsel rein wegen der ruhestörenden alten Leute, die übellaut schnarchen und dabei noch früh ins Bett gehen und überfrüh aufstehen. Eine echte Plage. In der Herbergen wird immer früh aufgestanden. Die Herberge will den Pilger bis 8uhr vor der Tür sehen. Wecken ist nie nötig, wegen der Alten, die ja schon 6uhr wie von Hornissen gestochen aufstehen und ihre Sachen neben dem Bettnachbarn packen.

2.Tag, Estella - Ventosa:

Schlechtwetter

Sehr dunkle Wolken bedrohen den morgendlichen Himmel. Der Scheißreifen ist ohne Druck. Ich fahr schnell zur nächsten Tanke und puste erst mal 3 Bar an. Dann fängt es an zu nieseln. Also Gummisachen raus und über Körper und Hosen. Hierbei schwitzt man derart, dass ich beim Abnehmen der Regenhose sehe, dass ich die lange Unterhose und die Jogginghose in nur 10km durchschwitzte, ohne es zu merken.

Frühstück im nächsten Ort, wo dann auch das katalonische Paar eintrifft, die unbedingt, trotz schlechten Wetters, den Fußweg fahren wollen. Ich schließ mich ihnen mal an und so lerne ich flux den Schlamm kennen. Eine Stunde später wähle ich wieder die Straße und mache erst in Los Arcos halt. Los Arcos hat eine wunderschöne Kirche mit sehr eigenem Stil. Sie wurde innen komplett bemalt, meist mit dunklen Farben. Ich kaufe mir noch einen kleinen Wegwerffotoapparat und es geht weiter über die sehr hügelige und kraftaussaugende Landschaft bei Gegenwind. Ich beginne immer öfter bergauf zu schieben, um so mal wieder meinen Rücken gerade zu machen und meine Fahrmuskeln erholen zu lassen.

Um die Mittagszeit beginnt es bei Einfahrt in die La Rioja ernsthaft zu regnen. Ich überfresse mich erst mal an einem Menü in Viana, ca. 10km vor Logroño. Dann geht’s weiter mit vollstem Magen gegen Regen und Wind auf den Autobahnzubringer zum Stadtzentrum. Ein selten beschissenes Erlebnis. Man drückt was man kann, um endlich diese hässlichen 10km hinter sich zu bringen. Im hübschen Logroño endlich vor dem Dom, wegen "zufälliger" Bauarbeiten geschlossen, mache ich noch ein Beweisfoto. Da es erst ca. 16h ist, denke ich gleich an Weiterfahrt ins 8km gelegene Navarrete. Leider kommt man dahin per Fahrrad auch nur über eine Autobahn. Und so fahre ich aus der Stadt auf die Autobahn.

Es fängt wieder an zu Regnen und gleich darauf der bekannte schnarrende Ton der Platten Reifendecke. Schön, das war’s. Das 3.mal in 2 Tagen und nun bei so einem Scheißwetter auf der Autobahn. Ich will heim! Etwas will mir sagen, ich soll nicht weitermachen. Glücklicherweise ist eine Tankstelle nicht weit, wo ich erst mal unter ein Dach komme. Dort ist auch eine Reifenwerkstatt für LKW. Da lerne ich ein paar Rumänen kennen. Der eine kommt aus Hermannstadt und spricht sogar ä bisi deutsch. Er sieht gleich nach Ausbau, was los ist. Mir wurde (in Spanien) ein schlechter, neuer Ersatzreifen verkauft, der nun zum 2.mal knallte. Man sieht ihn an der Längsnaht, der Sollbruchstelle, überall etwas aufgehen. Wer stellt nur so einen Dreck her? Es steht was fernöstliches geschrieben drauf. Der erste Reifen, der in Pamplona kaputt ging, kommt wieder drauf.

Und weiter geht’s nach Navarrete. Völlig fertig komm ich in jener Herberge an. WAS? Geschlossen? Mein Organismus ist völlig runter. Ich frage die Wirtin im Nachbarlokal, sie meint: Ja mein Junge, du bist hier nicht der Erste, der in seiner (spanischen) Herbergsführung das falsche draufstehen hat. Das Herbergsunternehmen wurde von Logroño erst mal bis zum Sommer weggespart. Im Übrigen sei das Nachbarhostal ausgebucht mit enttäuschten Pilgern, die nicht mehr weiterkonnten, nachdem sie die geschlossene Herberge vorfanden. Die nächste sei nur 8km weiter weg in Ventosa und es sei ganz flach, da hinzukommen.

Ich fahr nun sehr wacklig weiter und der Weg steigt und steigt steiler an. Flach sei es hier. So eine spanische Kartoffel. Woher soll sie auch den Weg kennen. Sie wohnt ja erst 40 Jahre in der Gegend. Nach 12km Aufstieg, Herzaussetzern, Nieselregen und Sturm komme ich endlich in Ventosa an. Eine vom Pilgerweg etwas abseits gelegene, wunderschöne kleine Herberge v anderen Pilgern gemacht mit funktionierendem Kamin. Die Aufnahme ist sehr herzlich. Man sieht mir die übelsten 85km meines Lebens an. Oben in der Küche gibt es andere junge Pilger, die auch schon für Abendessen sorgten und mich mit daran beteiligen. Ein schöner Abend geht zu Ende.

3.Tag Ventosa - Santo Domingo.

Santo Domingo de la Calzada

Hier durfte ausgeschlafen werden. Aber selbst nach 10h hatte ich noch keine Lust raus in den Regen zu steigen. Ich helfe dem Herbergsvater beim Saubermachen. Die Wolken können dabei vorbeiziehen. Er meint ich solle heute nur 30km bis Grañon, wo eine ebensoschöne Herberge sei.

Ich fahre raus und es geht im Regen und kurz auch im Hagel über die Abzweige zu den berühmten Klostern in San Millan de la Cogolla, über Najera nach Santo Domingo de la Calzada. Hin und wieder kommt man auf dem ganzen Weg nach Santiago an Steinkreuzen dabei, die vor vielen hundert Jahren im Namen Heiliger aufgestellt wurden. Dort also will ich erst mal nach den 25km ein Menü haben. Es ist dort schrecklich kalt. Ich trockne meine verschwitzte Kleidung an deren Heizung.

Dann will ich ein wenig das Städtchen betrachten. Es hat eine schöne alte Kathedrale. Sie ist eher klein und hat den Kirchenturm, nun ihr Dritter, getrennt von ihrem Schiff. Ein kleine Teil des Kirchenhecks, vermutlich, wo der Bau begann um 1148, ist völlig romanisch gebaut. Santo Domingo wurde nach dem heiligen Domingo benannt, der 1019 geboren wurde, also zur Zeit Sancho des Älteren. Nachdem Domingo keinen Erfolg mit dem Eintritt in die Klöster bei San Millán hatte, entschloss er sich zum Eremitenleben im einsamen Wald, der damals das Gebiet bedeckte um den heutigen Ort. Nachdem er eine Klause errichtete, baute er Wege, Brücken und ein Hospiz für die Pilger nach Santiago. Vor diesem bildete sich alsbald ein Marktflecken, der den Namen Santo Domingo de la Calzada annahm.

Nach seinem Tod wurden seine Knochen aufbewahrt, welche man heute in dieser Kathedrale besuchen kann. In jener sind auch immer ein Paar Hühner. Das rührt v einer Legende.

Nach meinem einstündigen Besuch dort, blieb ich gleich in der ziemlich gemütlichen Pilgerherberge nebenan, ohne Weiterfahrt nach Grañon. Auch sah ich dort wieder die Fahrräder des katalonischen Pärchens. Hier lernte ich ein deutsches älteres Paar kennen, die ihr Abendmahl mit mir teilten. Sie fanden genau wie ich am Vortage überraschenderweise die Herberge in Navarrete verschlossen vor, wo sie dann das letzte Zimmer im Nachbarhostal bekamen. Sie sind heute also von Navarrete bis hierher zu Fuss gelaufen. Ca 35km! Und somit 10km mehr als ich per Fahrrad. Mein Respekt.

4.Tag Santo Domingo - Burgos.

Camino

Frühs lernte ich einen älteren Holländer kennen. Einer der Schnarcher letzter Nacht. Den schickte der Himmel. Er zeigte mir wie man richtig Fahrrad fährt. Er strampelte äußerst viele Umdrehungen auf geringe Streckenumsetzung. Folglich sehr leichter Pedalendruck. Ich fuhr mit ihm nun bei schönem Wetter über schöne verlassene Straßen bis nach Belorado. Henk kopierte mir noch seine detaillierte Karte für den Fahrradweg nach Santiago. Er wollte dann weiter nach Burgos über die Hauptstraße, während ich lieber über die Berge wollte. Wir trafen beim Kaffeetrinken wieder das katalonische Paar. Nach ein paar km trennten Henk und ich uns.

Mit den beiden Anderen fuhr ich dann die Strecke. Leider machte das Mädchen gesundheitlich schlapp und wir trennten uns bei San Juan de Ortega. In jener Nähe, also bei Atapuerca liegt der berühmte Rest des "Atapuerca - Neanderthalers", der die Wissenschaft vor ca. 15 Jahren belehrte, dass es diese Steinzeitmenschen schon vor über 500.000 (oder so) Jahren gab und nicht erst vor 80.000. Eigentlich wollte ich nur bis dahin, spürte aber das erste mal auf der Reise Rückenwind und beste Moral. Es zeichnet sich ab, dass ich mir keine Zeit für Kulturbesuche nehme, sondern eher mehr das große Ziel Santiago im Auge habe und so flog ich weiter bis nach Burgos.

Eine beachtliche Stadt an Schönheit. Aber ziemlich kalt und windig. Sehr große Altstadt mit einer hellen Kathedrale. Sogleich fällt mir 2mal die Kautabakdose runter, wobei fast nix mehr übrig bleibt. In Burgos liegt El Cid begraben und auch das Eine und Andere Königspaar. Burgos war eine Zeit lang Hauptstadt einiger spanischer Regionen. Sie ist als Kulturerbe der Menschheit aufgenommen worden.

Hier traf ich noch mal auf Henk und auch ein Grüppchen vierer Katalanen, die ich in Ventosa kurz kennenlernte, als sie auch spät vor der hinterhältig verschlossenen Herberge in Navarrete standen und weitermussten. Und hier traf ich auch einen Engländer wieder, der sich zu Fuß den Meniskus ruinierte und so von Santa Domingo nach Burgos im Bus fuhr. Wieder ein schöner Abend mit bekannten Leuten und Neuen. Die Herberge v Burgos war nur eine Vierersammlung v Holzhütten in einem Park. 30 Pilger schliefen hier alle in einem Häuschen eng und abgedichtet v außen beisammen.

5.Tag Burgos - Carrión de los Condes

Frühstück

Mit dem Engländer ging ich noch mal in die Stadt v Burgos ohne Eile zum Frühstücken. Es ist ca. 10°C und Sonne. Ich stelle eine Entzündung auf der Kniescheibe fest. Nachdem wir noch mal ehrfürchtig durch die Kathedrale gehen, verabschiedete ich mich v ihm und fahre weiter Richtung Leon. Gleich nach Burgos beginnt eine trockene und windige Gegend, leicht hügelig.

Ein zweites Frühstück wird bei Quintanillas genossen. Auch in diesem Dorf scheine ich das einzige Lebewesen zu sein. Es ist sehr windig. Alles muss ich festhalten, Essensstücke, Einpackpapier, abgelegte Klamotten. Nach einer weiteren Std Fahrt empfiehlt mir die Karte abzubiegen über eine Brücke. Genau die ist "zufällig" im Bau und ich muss einen Umweg fahren. Hierbei vergewissere ich mich bei einem Hirten des Weges und es geht steil bergauf, was ich zum Anlass nehme, mein Rad zu schieben. Ein bisschen Kautabak versüßt mir den Aufstieg. Oben angelangt sieht man eine Hochebene, mit karger Natur.

Hier komme ich über Matajudios, was so viel heißt, wie Judentöter. Den Ort selbst kann ich aber nicht in der weiten Einöde erkennen. Unheimlich, hier zu als Fußpilger unterwegs zu sein. Ich hab schon seit Stunden keinen mehr gesehen, doch die verfallenen Schilder mit 450km bis Santiago sind an der Straße, folglich bin ich nicht falsch hier.

Bergab an einer Konventsruine, wo die Straße mittendurch geht mache ich halt. Hier kommt auch schnell einer der 4 Katalonier vorbeigehuscht. Ein paar Dörfer weiter bei Castrojeriz, hole ich sie beim Mittagmachen an einem Dorfplatz ein und wir essen gemeinsam, was wir kurz vorher im Emmaladen kauften. Nachdem wir fertig sind, fuhren die Mädels schon mal weiter, während die beiden Jungs noch einen pafften. In Anbetracht der noch zu vollbringenden Leistung lehne ich ab. Wir verbleiben uns in Carrion in der Herberge zu treffen. Die Katalonier wollen den Fußweg weiter, ich die Straße, also den Originalweg.

Mein linkes Knie wird merklich schlimmer. Also ist der Fußweg ausgeschlossen. Die Landschaft ist wirklich einsam hier. Stundenlang geht’s fast nur geradeaus und leicht bergauf. Kein Pilger außer mir. Hinter Fromista ein Schlenker nach einem längeren Rückblick über die Schulter endet fast im Graben. Meine Hängetaschen auf dem Vorderrad stabilisieren zu sehr. Mein Knie alarmiert. Kurz vorm Abbruch wegen Schmerzen komme ich in Carrion an. Ich wähle die Konventsherberge. Diese hat sogar 3 bis 4-Bettzimer, also wahrer Luxus.

Nebenan treffe ich im Aldi wieder auf die kurz nach mir eingetroffenen Katalonier. Es ist Samstag und wir haben alle mächtig bock bis spät aufzubleiben und so wird ordentlich Stoff eingekauft. Zum Vorabendsessen mache ich mir einen Grießbrei mit Schokolade. Gar nicht so gut geschmacklich. sättigt aber sofort und spendet Kohlenhydrate.

Die Klosterherberge gehört zu einem Schwesternkloster. Diese Schwestern ließen sich dort freiwillig wegschließen und haben auch keinen offiziellen Sichtkontakt mit der Außenwelt. Das zeugt eine dreiflügelige Durchreiche an der Wand. So was hatte ich vorher für unmöglich gehalten.

Abends gingen wir ein bisschen weg und ich meldete mich früh ab, um schlafen zu gehen. So ein Jakobsweg ist ja auch nicht gerade Routine. Etwas Voltareen aufs Knie, morgen wird’s schon besser werden.

6.Tag Carrion - Mansilla

Nach schlafloser Nacht gleich der Schmerzschreck. Das Knie wurde überhaupt nicht besser. Ich humple umher und man gibt mir entzündungshemmende Creme. Ich fahre den Kataloniern voraus, da ich mit diesem Knie nicht mithalten könnte. Es gibt Rückenwind als Segen und eine Abwärtstendenz als Zugabe. Ich wähle auch wieder die schnellere Landstraße. Ich habe ein einsames Frühstück in einem Dorf bei Terradillo de los Templarios vor der Kirche. In Sahagun treffe ich wieder auf die Vier. Nun fahre ich auch den Fußweg weiter. Mein Knie ist aufgewärmt und schmerzt weniger. Meine Fahrtechnik ist so angepasst, dass das Knie fast völlig entlastet. Meine Tretkraft kommt fast nur noch aus dem Hintern.

Ich komme an den ersten Pilgerkreuzen vorbei, die hier wegen frühzeitigen Todes einiger Pilger aufgestellt wurden. Auch ein Deutscher auf Höhe El Burgo ist dabei. Durch den Rückenwind komme ich viel schneller als erwartet voran. Er dauert den ganzen Tag an. Ein Mittagspicnic in einem wüstlichen Dorf mit den Vieren und ich fahre wieder voraus und verbleibe mit ihnen in Mansilla.

Dort angekommen treffe ich auf den deutschen Herbergsvater Wolf, der mir den Weg zu seiner Herberge erklärt. Ein schönes Haus mit Innenhof, wo ich auf noch mehr deutsche Fußpilger treffe. Wolf nimmt sich meines Knies an und heilt es irgendwie und meint, es wird jetzt nur noch besser.

Die Katalonier treffen nicht ein, also nutzten sie den Rückenwind bis nach Leon 20km weiter. Sie sind auch nicht mit so einem Knie geächtet.

7.Tag Mansilla - Astorga

Wolf hatte recht. Das Knie wurde tatsächlich nicht schlimmer. Es geht weiter bis nach Leon, wo ich eine der hellsten Kathedralen von innen bewundere. Vor dem großen Platz gönne ich mir einen Kaffee mit Honig und Sahne und eine Zigarre. Dann geht’s durch Rest-Leon über verlassene Landschaften und etwas Abseits vom traditionellen Camino. Ein Halt in einem Pilgerrestaurant des ursprünglichen Caminos, abseits Villadangos, wo ich von der Köchin bemuttert werde und ein äußerst kräftigendes Mahl zu mir nehme (Cocido bzw Potaje). Leider esse ich zu viel davon und es liegt mir tonnenschwer im Magen.

Ab hier treffe ich wieder häufiger Pilger auf den Feldwegen. Durch das schwere Essen komme ich stundenlang nur langsam voran. Fast wird mir schlecht dabei und ich lege mich in ein Wäldchen abseits nach Hospital de Orbito für 30min. Dann geht es nur noch bergauf bis nach Astorga (=Astur Augusta) Diese Stadt hat römische Geschichte. Hier war ein Goldumschlagsplatz, wo die Römer aus Asturien das Gold aus den Las Medulas, den Bergen, wuschen. Dabei gingen einige Berge drauf. Eine beachtliche Naturverwüstung aus so früher Zeit.

Astorga hat eine Kathedrale, die, wie so vieles in Spanien, gerade sich "zufällig" im Bau befindet und so kann ich sie nicht von innen sehen. Daneben ließ man Gaudi ein Museumsbau erschaffen. Es gibt auch einen schönen Platz mit bemerkenswerten Rathaus. Da treffe ich schon zum 2.mal auf eine deutsche Busgruppe, die mir schon in Leon auffiel. In Astorga lerne ich Miguel kennen. Auch er allein mit Fahrrad unterwegs. Die Herberge ist mit 3 Euro sehr billig, aber auch wirklich übel. Und sie ist voll. Hier fangen also viele "Pilger" erst ihren Jakobsweg an, wo ich schon 2 drittel hinter mir habe.

8.Tag Astorga - Ponferrada

Cruz de Ferro

Vor uns liegen 2 Bergketten. Eine davon wird heute fällig übers Cruz de Ferro, die Nächste morgen.

Es geht nach der Anhöhe von Astorga direkt bergauf. Ich verblieb mit Miguel, der auf ein spanisches Frühstück bestand, 2 Dörfer weiter in den Bergen. Einige Dörfer bestehen aus kaum mehr als 4 bewohnbaren Häusern und 20 unbewohnbaren Verfallenen. Um diese Jahreszeit gibt es auch noch keine Geschäfte mit den Pilgern, die erst ab Juni massenhaft auftreten, wie viele geschlossene Souvenirläden und Restaurants hier bezeugen. Immer wieder tauchen nun Kreuze auf, von Pilgernamen aus allen Ländern, die es nicht mehr lebendig schafften.

Und auch die deutsche Bustruppe wurde hier abgekippt, damit sie mal ein paar km auf dem Pfad laufen können. Unbeschwerte Leute. Das Reisegewicht und den Komfort haben sie im Bus. Nach einer weiteren Stunde bergauf kommen wir zu einer privaten Pilgerherberge. Wir treten ein, da sie einen Bauerninnenhof haben, in dem man essen kann. Ich erfahre, dass hier 4 Katalonier schliefen, die per Fahrrad kamen. Sie sind also nur ein paar Stunden vor uns. Aber wir haben Hunger und es gibt in El Ganso eine Tortilla de Patata deren Eier v den herumlaufenden Hühnern stammen. Also heute mal Eier ohne Antibiotiger. Nach dem wir weiterfuhren, wieder an der uns anfeuernden Busgruppe vorbei und fast auf Gipfelhöhe anlangten, wieder ein Kreuz. Es ist von einem Argentinier aus Buenos Aires. Die gute Luft bekam ihm hier aber nicht.

Und wir kamen bis zum Cruz de Ferro. Hier laden seit Jahrhunderten die Pilger einen Stein ab, den sie von Zuhause mitbringen. Ich nahm ein v la Rioja mit, den von daheim vergaß ich. Ein einsamer Pilger lehnt dort erschöpft an der Ermita.

Ein paar Kurven und Hügel weiter springt mir die Kette über den ersten, kleinsten Teller, direkt in die von einem bösartig dummen, oder dummen bösartigen Fahrradingenieur hierfür gemachte Lücke zwischen 1.Teller und Rahmen, wo sie sich festwürgt. Toll. Man kann sogar die Teller mit dem richtigem Werkzeug nicht entfernen. Der Ing. von Decatlon dachte auch an alles für diese Falle. Leider ist er gerade nicht in der Nähe, um meiner Hinrichtungsfantasie als Hauptdarsteller beizuwohnen. Immer wieder muss ich mir einreden, dass es gottgewollt sein muss und das so was zum Pilgerweg dazugehört. Ich muss diese Dummheit einfach vergeben, auch wenn ich zukünftig wieder zum Opfer falle.

Also rollerte ich mit dem Fahrrad die Hügel runter und entlang und hoch wieder schieben bis zum Ende der Bergkette, wo ich unten Ponferrada sehen kann. Hier rauschen wir runter. Ich erreiche die Höchstgeschwindigkeit von 65kmh. Meine Motorraderfahrung in den Kurven macht genaues Bremsen möglich, um so wenig wie möglich an Geschwindigkeit zu verlieren. Im ersten Dorf bei der Abfahrt in El Acebo hilft uns ein junger Mann mit einem Messer, der das Problem meiner Kette kennt. Als er nach einigem gewaltigen Fuckeln meine Kette aus dem Rahmen zog, sahen wir, wie verbogen sie zwischen den Gliedern war. Die aufgesetzte Kette schaltete von allein hinten auf den Zahnrädern. Wir rollten und schoben weiter bis Ponferrada. Dort wurde die Kette von einem netten alten Herrn gewechselt.

Miguel und ich besichtigten ein wenig die Stadt, von der es nichts zu berichten gibt. Die Herberge ist OK mit seinen 4-Bettzimmern. Morgens wird man durch Mönchchorgesang geweckt.

9.Tag Ponferrada - Cebreiro/Hospital

Camino

Heute haben wir die härteste Etappe vor uns. Sofort hinter Ponferrada geht es schon bergauf. Und so wird es bis zum Tagesziel auch weitergehen. Es geht durch Wäldchen über Flüsse und Wiesen. Wie immer halten wir in einem Dorf hier in Camponarrayaum, um Brot etc zu kaufen und unser großes Frühstück einzunehmen. Die Landschaft wurde ab Ponferrada grün und jetzt langsam zum Hochgebirge. Immer höher schrauben wir uns hoch. Immer wieder unter der neuen A-6 Autobahn durch. Oft nehmen wir die alte N-6 aus Francos Zeiten, welche noch durch die Bergdörfer geht, an deren Scheunen und Mist vorbei. Die Neue N-6 ist nicht mehr romantisch genug.

Ich frage mich, wie das die Pilger vor 1000 Jahren überlebt hatten. Sie hatten noch keine Herbergen und auch keine Beschilderungen, Kartenmaterial odet . Die Landschaft wird hier über 900 Meter einfach Menschenfeindlich. Immer mehr muss ich schieben, anstatt zu treten. Die Erschöpfung und die Kälte, es ist nun nur noch bewölkt, werden immer deutlicher.

So kommen wir erst mal in Pedrafita an. Hier geht die A-6 und die N-6 wieder herab in das Galizien. Wir müssen leider weiter rauf. Die Sicht ist bis zum Etappenziel wunderbar. Oftmals schiebe ich schneller, als Miguel in höchster Übersetzung treten kann. Nachdem wir Cebreiro, den ersten Knackpunkt, durchfahren und in Hospital haltmachen, fuhren wir über 50km in über 8 Stunden nur bergauf.

Wir bestellen telefonisch ein paar Riesensandwiche aus dem Nachbardorf. Das Unsrige hat nur 5 Häuser und Hühner zu bieten. Wir teilen die Herberge mit 2 Deutschen und einem Belgier. Der Belgier will zu Fuß das Ganze in 5 Tagen schaffen. Von hier sind es noch 150km bis nach Santiago. Ich liege falsch in der Annahme, das Schwierigste überstanden zu haben.

10.Tag Hospital - Ferreiros

Noch einmal müssen wir kurz bergauf über den Poio-Pass. Auf dem Selben gibt es 2 Pilgerkneipen. An der Einen nehmen wir erst mal einen Kaffee und Zigarre zu uns. Dann beginnt die Abfahrt auf dem Fußweg. Wir donnern über Schotter und Gesteinsbrocken und jagen einige Fußpilger aus dem Weg. Der Respekt vor diesen Wanderern ist einfach gesunken. Beginnen die doch glatt ihren Camino erst in Astorga.

Die Grenzen meines frontbeladenen Fullys zeigen sich auf diesen Wegen auf. Der Lenker ist mit den flatternden Seitentaschen für das Gelände einfach zu träge und Lenkerschlengler lässt sich kaum bei Fahrt auskorrigieren. Einmal zu sehr gebremst, lässt einen bei so einer Abfahrt schnell mit Fahrrad vornüberkippen oder das Vorderrad blockieren. Aber das Abrollen über Geröll machte so sehr Spaß. Miguel musste hierfür mit einem Platten bezahlen, den er während unseres Frühstücks im untenliegenden Dorf vorm Friedhof reparierte.

Danach gab es 2 Wege nach Sarriá, einen über Samos, am Kloster vorbei, einen über X. Wir wählten X, den historischere von Beiden. Hier begann nun das schwierigste Gelände. Ausgefurchte Fußwege mischten sich mit Mistpisten der Landwirtschaft oder Wasserabflusswege zwischen engangelegten Feldern, die durch kleine Baumalleen getrennt wurden.

Bei einer Abfahrt eines schmalen Weges traf ich einmal plötzlich auf eine Treppe mit 50 Stufen. Also sperrige 30kg runtergetragen, die sich lenkerschlagend, pedalanstoßend und kopflastig wehrten. Mittlerweile sind wir auf 5 Mann angestiegen. Zu uns beiden gesellten sich noch 1 französisches Paar und eine junge Dame, die auch aus Barcelona kam. Diese machte gleich nach den Treppen einen schönen Abschlag, ohne sich dabei zu verletzen. Wir fuhren 15min später in Sarriá ein.

Die Franzosen waren müde, aber auf Grund der üblen Herberge voller alter Pilger und einer grobkeifenden Herbergsmutter folgten sie uns nach einiger Zeit. Miguel und ich fuhren währenddessen weiter querfeld bis zur nächsten Herberge, wo eine andere Herbergshexe empfing. Wir währen ja nicht weit hergekommen und müssten solange mit dem Boden vorlieb nehmen, bis der letzte Fußpilger eintrifft. Miguel diskutierte noch ein wenig, während ich so was gleich stehenließ, um weiterzufahren.

200 m weiter bergauf kamen wir zu einem kleinen Gehöft, wo wir fast privat und allein bestens bewirtet wurden. Leider fing nun der galizische Regen an. Ein wirklich dauerhaftes Vergnügen. Da wir wegen der noch fehlenden 10km den Feldweg wählten und die nächste Straße weit weg war und auch nicht lokalisierbar, mussten wir nun über das aufgeweichte Gelände.

Der Mistmatsch in den Dörfchen, wurde nun zur Rutschpartie, die Wege weich und schwierig zu befahren. Gut, dass wir beide Schutzbleche montiert hatten. Irgendwann kam der Gipfel: auf einer alten römischen Straße, wo nur noch ä paar Steine auf dem Weg übrig waren, kam ein Abfluss vom Berg vor uns runter, dass die Felsenstraße zum Fluss wurde. Hier ging es nicht mehr pedalend weiter und mein Esel wurde mitsamt Gepäck hochgetragen, während er sich störrisch wehrte und sich oft querlegte, weil er gern mit den Reifen zwischen den Steinen steckenblieb oder ausrutschte. Schlammaufstieg

Nach 10min schlimmster Plagerei, wo das kalte Wasser über Knöchel stand, der Schweiß vom Gummianzug innen dicht zurückgehalten wurde und die Klamotten von innen durchnässte, während der Regen das Gleiche von Außen tat, entkam mir eine derartige hysterische Lache, dass ich auch Miguel damit ansteckte und wir da in der gegossenen Botanik standen und uns laut auslachten. Meine Muskeln gehorchten mir gar nicht mehr und bei jeder Anstrengung meldete sich der Lachkrampf von Neuem. Und so wiederholte sich die Szene noch einmal. Ein Foto machte ich noch, als Beweis für solchen Lebensgenuss. Nach weiteren Minuten Aufstiegs und ein paar rutschiger Weiterfahrt, trafen wir völlig durchnässt in Ferreiro ein. Ein Dorf mit mehr als 3 Häusern: 5.

Die Herberge war auch schon wegen der vor uns eingetroffenen Pilgern von innen nass und mir schwante Schlimmstes: die Klamotten werden bis morgen nicht trocken. Hier treffen wir auf die Franzosen und die Andere aus Barcelona. Jeder versucht hier seine Sachen auszubreiten in der Hoffnung sie bis zum nächsten Morgen trocken zu kriegen. Die Scheiben sind von innen beschlagen. Den Boden musste ich erst mal mit alten Zeitungen auslege., damit ich auch irgendwann mal die Schuhe ausziehen konnte.

Es ist 20h und die ersten gehen schlafen. Wir tranken noch einen Mate und rauchten von Miguels brauner Knete. Dann begann noch eine 2stündige Schlauchflickaktion, die wir nicht völlig breit lang nicht auf die Reihe bekamen. Dank einer lauen Heizung bei meinem Bett, hatte ich nochmal Glück mit dem Trocknen gehabt.

11.Tag Ferreiros - Melide

Dorf

Morgens. Der Regen hörte auf und es kommt auch ä bisi die Sonne durch. Unsere Gruppe bestehend aus den 2 Franzosen, 1 Barcelonesin, 1 Bilbaoer und mir fahren nun die Vorletzte Station von Santiago an. Meine Rückbremse hat arg gelitten und bremst kaum noch. Muss sie eiligst festziehen.

Nach 1h - 2h holen wir wieder die vor uns vorgelaufenden Pilger ein. Wir gönnten uns ja zwischendurch noch einen Einkauf im Supermarkt in Portomarín. Schon jetzt geht mir die Besorgtnörgelndhektische Art der Barcelonesin auf den Senkel. Nach der ansteigenden Weiterfahrt tritt der Regen heftig ein. Wir können uns aber in einer Scheune retten, wo auch gleich darauf noch ein paar Fußpilger aus Asturien unterschlüpfen, mit denen wir uns letzte Herberge teilten. Der Regen zieht während wir frühstücken schnell vorrüber und es scheint wieder die Sonne.

Da Miguel fast immer nur weit hinterherhängt und dennoch auf die Feldwege besteht, fasse ich den Entschluß, allein weiter zu machen, um noch morgen in Santiago einzutreffen. Es geht erstmal weiter zum nächsten Kaffee in einer der Kuhdörfchen. Dann verabschiedeten wir uns Nähe Ventas de Narron herzlich nach unseren vielen gemeinsamen Kilometern und ich düse weiter durch das hügelige innere Galizien. Dabei komme ich immer wieder durch unzählige Dörfchen, wo die Straße nicht mehr unter dem plattgefahrenem Mist erkennbar wird. Der Geruch erinnert oft an Sauerkraut vorm Katzenklo.

Wieder Regen. Diesmal beständiger bis kurz vor Melide. Dort dann wieder Sonne. Nach dem ich die Herberge fand, treffe ich wieder auf die Barcelonesin in ihrem Maggie-essen versunken. Da sie besorgt ist, wegen ihrer Bremsen, besuchen wir die Stadt und kaufen dabei gleich noch ihre Bremsbelege.

Am Abend lerne ich einen Italiener kennen. Der Herr so mitte fünfzig fuhr von Verona aus. Seine letzte Etappe war von Hospital bis hier her nach Melide, also genau doppelt so viel, wie ich. Er hat ein Rennrad und bleibt damit konsequent auf der Straße, sowie beste und teuerste Ausrüstung und kommt somit viel schneller voran. Mit ihm rede ich den Abend weg.

12.Tag Melide - Santiago

Die Barcelonesin ist besorgt und eilt frühs davon, um noch früh genug in Santiago einzutreffen. Somit bin ich wieder allein. Es geht genauso hügelig weiter, wie am Vortage. Ein Hügel 30 Sekunden Abfahrt und 5min wieder Auffahrt mit teilweise schieben. So den ganzen Tag. Ich nehme den südlichen Weg zum Flughafen. Hier komme ich nur über Felder und kleine Dörfer, bis ich plötzlich vorm Flughafen stehe. Dort klärt man mich erstmal auf, wie die Flugangebote für Pilger in Wirklichkeit gemeint waren: Teuer und keine Plätze für die nächsten 2 Wochen. Super Angebot von Iberia.

Aber nun kommt das Schönste: um weiter nach Santiago zu kommen, gibt es nur die Autobahn mit dem Verbotsschild für Reiter, Fahrradfahrer, etc. Soll ich jetzt wieder den Feldweg zurück? Man läßt mir keine Wahl. Fahrradwege wird es erst in 50Jahren hier geben. Also über die Autobahn, bis ich die nächste Abfahrt sichtige. Ein Autofahrer hupt mich an ohne Ahnung über sein unterentwickeltes Land, dass mir keine andere Wahl ließ. Nach einigen Kilometern fahre ich ab und bin wieder auf dem Land.

So komme ich in eine industrialisierte Gegend, dahinter Regen und schließlich Santiago. Erst kurz vorm Ziel kann ich die Kathedrale erkennen. Emotionen werden frei. Es war trotz der paar Tage doch eine lange Reise und nun bin ich am Ziel. Die Kathedrale scheint mir die schönste Romanische, die ich je sah. Der Ursprungsbau in der Mitte ist nicht sehr groß, aber mit den Anbauten riesig.

Ich gehe ehrfürchtig hinein und alles drinn ist voller Menschen. Auch ich nehme am traditionellen Gruß an der Eingangssäule für Santiago teil. Schließlich war ich in seinem Namen unterwegs. Die Pilgermesse gibt es morgen. Die Reliquien des Apostels sind unter dem Altar und ich hebe mir das auch für morgen auf, da ich fälschlich annahm, diese im eingebauten Museum anzusehen, welches gleich schloß. Santiago hat eine sehr schöne Innenstadt. Alles ist alt und gepflegt. Ich frage mich nach dem Seminario durch, wo die Pilgerschlafstätte sein wird.

Dort angekommen finde ich 2 Fußpilger, die ich schon in Estella sah und auch die Barcelonesin wieder. Die beiden Fußpilger aus Berlin, Andreas und Jannes, fuhren von Burgos bis Cebreiro im Bus. Die Schlafstätte hier bestand aus einem Riesensaal mit ca. 60 Betten, einem Duschsaal und einem Waschsaal mit 12 Waschbecken. Keine Heizung und keine Küche. Ein schönes Lazarett aus alten Zeiten. Für keinen Pilger empfehlendswert. Wir besorgten uns also sogleich die Rückfahrkarten à Santiago à A Coruña à Barçelona. Am Bahnhof erfuhren wir, dass die Fahrräder rundum verpackt werden müssen. Das Material hierfür, es war Samstagabend, sei Kundensache.

Die Barcelonesin hatte die gute Idee Industriemülltüten im Supermarkt zu kaufen. Da es regnete, suchte ich mir diesen dann alleine und verblieb mir ihr 20:h um noch zu Abend zu essen, worauf sie natürlich nicht erschien. Dafür traf ich auf die Berliner dort. Diese wollten noch ä bisi durch die Stadt wackeln, während ich noch auf die Barcelonesin wartete. Nach 15min ging ich zurück ins Seminario. Dort bereitete ich mir einen Mate und nahm diesen zusammen mit einer Italienerin.

Irgendwann kamen auch die Anderen. Die Barcelonesin sei ja nur 15min zu spät gekommen, blabla.

13.Tag Santiago Pilgermesse und Rückfahrt

Camino

Der Morgen brach an und es regnete gleich etwas. Wir packten die Sachen und ich kam länger beim „Frühstück" mit den Berlinern ins Gespräch. Sie fliegen also von Barcelona wieder heim. Ich bot Ihnen daher mein Haus als Bleibe an.

11h beginnt die Pilgermesse. Die Kathedrale war voll. Viele hatten Palmenzweige dabei. Es gab Orgelspiel mit Gesang, der von oben des Gebäudes kam, wo eine Gruppe sang. Es kam der Bischof und las aus der Bibel vor. Den Riesenweihrauchschwenker, der in der Mitte der Kathedrale angebracht war, sah ich leider nicht mehr in Aktion, genauso wenig die Reliquien des Apostels, da wir nach 45min Zeremonie das Handtuch warfen.

Wieder draußen, tippte mir jemand auf die Schulter. Zu meiner Freude war es Miguel. Er sei vor kurzem angekommen und sah mich schon im Dom mit meiner gelben Jacke und dem schwarzen Kreuz auf dem Rücken. Miguel wollte trotz des schlechten Wetters noch bis nach Finesterre 60km weiter zum Strand, um sich seine eigene Pilgermuschel zu holen. Wir verabschiedeten uns zum zweiten Mal.

Ich traf mich mit den Anderen am Bahnhof von Santiago, um nun die Heimreise anzutreten.


Mario Kretschmer

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